REFERENT*INNEN

Frau Dr. Corvacho del Toro ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Orthografie, des Schriftspracherwerbs und der Förderung bei Rechtschreibschwierigkeiten. 2017 ist sie mit dem Wissenschaftspreis des BVL ausgezeichnet worden. Für die Qualität ihrer Lehre erhielt sie 2016 den 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre an der Goethe-Universität. Sie ist seit 2018 Mitherausgeberin der Zeitschrift Lernen und Lernstörungen. Frau Dr. Corvacho del Toro verfügt über praktische Erfahrung in der Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Rechtschreibschwierigkeiten sowohl in der Einzelförderung als auch in der schulischen Kleingruppenförderung. Seit mehreren Jahren kooperiert sie mit Grund-, Realschulen sowie Gymnasien und führt Fortbildungen mit Coaching-Elementen durch, die u.a. zum Ziel haben, die Entwicklung einer schriftsystematischen und lernförderlichen Rechtschreibdidaktik in den Schulen zu unterstützen.

 

Wissenstransfer. Von der Einzelförderung in die Schule!

Im Vortrag werden drei verschiedene Interventionsstudien zur Förderung von Kindern mit Rechtschreibschwierigkeiten bzw. mit einer Rechtschreibstörung vorgestellt. Die erste Studie befasst sich mit der Einzelförderung von Kindern mit einer diagnostizierten Rechtschreibstörung. Die zweite und die dritte Studie hatten zum Ziel, die Übertragung dieses effektiven Vorgehens zunächst auf Kleingruppen in den schulischen Förderkursen und dann auf den Regelunterricht der Grundschule (4. Klasse) und der Mittelstufe (5.-9. Klasse). Konzeption der Förderung und Ergebnisse der Studien werden berichtet.


Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie und vertritt dieses Fach als Lehrstuhlinhaber an der LMU in München. Außerdem leitet er die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum der Universität München. Seit 30 Jahren ist sein Arbeitsschwerpunt die Diagnostik und Beratung und Behandlung von Kindern- und Jugendlichen mit einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung sowie die Ursachenforschung. Seine Forschung wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, er ist Koordinator der S3-Leitlinien zur Diagnostik und Förderung bei der LRS und hat mehrere Fachbücher zum Thema LRS veröffentlicht.

 

 

 

Voraussetzungen und Anforderungen für die qualifizierte Therapie bei Lese- und/oder Rechtschreibstörung

Die Förderung und Behandlung bei der Lese- und/oder Rechtschreibstörung erfordert umfassende Kenntnisse und Erfahrungen, die in Deutschland von unterschiedlichen Fachdisziplinen abgebildet werden.  Die Frage, welche Inhalte dazu gehört und wie umfangreich die Aus- und/oder Weiterbildung sein sollte, wird kontrovers diskutiert.  Die in Ausbildung gelehrten Inhalte sind durchaus heterogen und es bedarf einer Klärung, was die Mindestanforderungen sind. Im Rahmen des Vortrags wird aufgezeigt, was grundlegende Bereiche sind, über die die Therapeut*innen verfügen sollten, um eine Förderung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit LRS durchzuführen. Außerdem wir die Frage diskutiert, was für und gegen ein eigenes Berufsbild spricht. 


Univ.-Prof.Dr. Karin Landerl ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Graz. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Untersuchung der neurokognitiven Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens und Lernstörungen. Sie hat über 70 Forschungsbeiträge in Fachzeitschriften veröffentlicht und ist Herausgeberin des internationalen Fachjournals Scientific Studies of Reading. Sie ist Mitautorin des SLRTII (Moll & Landerl, 2010) und leitet den berufsbegleitenden Masterlehrgang „Therapie von Lernschwächen/Lernstörungen“ am Uni for Life der Universität Graz.

 

 

 

 

Lesen und Schreiben: Zwei Seiten derselben Medaille?

Häufig wird angenommen, dass Lesen und (Recht)schreiben zwei Seiten derselben Medaille darstellen und dass Kinder mit Dyslexie vergleichbare Schwierigkeiten in beiden Domänen der Schriftsprachverarbeitung aufweisen. Aktuelle Befunde zeigen aber, dass Defizite im Lesen vs. im Rechtschreiben auch isoliert auftreten können. Studien im deutschsprachigen Raum belegen, dass bei einem beträchtlichen Anteil der Schulpopulation entweder eine isolierte Rechtschreibstörung (trotz unauffälliger Leseleistung) oder eine isolierte Lesestörung (trotz  unbeeinträchtigter Rechtschreibleistung) vorliegt.  Es werden Befunde aus einem Forschungsprojekt berichtet, das Dissoziationen von Defiziten im Lesen und im Rechtschreiben untersuchte. Interessanterweise zeigte sich, dass Kinder mit isolierten Defiziten der Leseflüssigkeit über wortspezifische lexikalische Einträge verfügen, auf diese aber nicht effizient zugreifen können. Die allgemeine Annahme, dass langsames Lesen eine Folge von Problemen im Aufbau des orthographischen Gedächtnis sei, konnte demnach nicht bestätigt werden. Diese Befunde haben wichtige Implikationen für Diagnose und Intervention.


Morena Lauth-Lebens ist Chartered Psychologist (GB) und integrative Lerntherapeutin (FiL). Nach ihrem Psychologiestudium in Großbritannien hat sie dort 2008 über die kognitiven und affektiven Dimensionen von Rechenschwierigkeiten promoviert. Anschließend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Lehr- und Lernforschung der Ruhr-Universität Bochum tätig. An der Bergischen Universität Wuppertal hat sie sich mit der Entstehung von post-traumatischen Belastungsstörungen auseinandergesetzt und die daran beteiligten Lern- und Gedächtnisprozesse metaanalytisch untersucht. Von 2012 bis 2017 war Morena Lauth-Lebens wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Universität zu Köln. Im Jahr 2017 wurde sie als Professorin für Angewandte Psychologie an die IB Hochschule für Soziales und Gesundheit berufen. Neben ihrer Lehr- und Leitungstätigkeit arbeitet sie dort schwerpunktmäßig über Bedingungs- und Behandlungsmodelle für Störungen aus dem expansiven Formenkreis. Mit ihrem Ehemann Prof. Dr. Gerhard W. Lauth bildet sie im gemeinsamen Weiterbildungsinstitut integrative Lerntherapeut*innen und ADHS-Trainer*innen aus.  

 

Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen – neue Impulse für die Lerntherapie 

Kaum ein anderes psychisches Störungsbild aus dem expansiven Formenkreis erfährt ein vergleichbar hohes Forschungsinteresse wie das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS). Auch in den Medien nimmt ADHS gegenüber anderen Störungen einen prominenten Stellenwert ein. 

 

Zweifelsohne weist gerade das Problem- und Handlungsfeld der ADHS eine beachtliche Historizität in der Theorie- und Modellbildung auf. Erst diese hat überhaupt den Boden für das moderne Verständnis von ADHS als mehrdimensional begründetes und multimodal zu behandelndes Selbststeuerungsdefizit bereitet. Bei genauerer Betrachtung der gegenwärtigen Forschungslandschaft zeichnen sich aber wissenschaftliche Horizonterweiterungen der bisherigen Bedingungs- und Behandlungsmodelle ab. 

 

Daher zielt der Vortrag auf einen Brückenschlag zwischen aktuellem Störungs-, Bedingungs- und Änderungswissen und lerntherapeutischen Praxisimplikationen. Ausgewählte Forschungsbefunde zu störungsspezifischen Inhibitions-, Intentions- und Implementationsschwierigkeiten stärken das ohnehin stichhaltige Rationale für lerntherapeutische Behandlungszugänge. Abschließend folgt ein exemplarischer Ausblick auf noch eher wenig erschlossene und vielversprechende Zielbereiche für Forschung und Fachpraxis.  


Dr. Silvia Pixner ist Klinische- und Gesundheitspsychologin und leitet am Institut für Psychologie an der Privatuniversität UMIT in Tirol die Abteilung Lernen und Lernstörungen. Zu ihren Tätigkeitsfeldern gehört neben der Forschung und Lehre zu diesem Thema, auch die Konzeption und Leitung der Universitätslehrgänge zur Legasthenie, Dyskalkulie uns Autismus. Aber auch die praktische Tätigkeit am Zentrum für Lernen und Lernstörungen, wo sie gemeinsam mit 20 Studierenden und ihrem Therapie Hund Amy, Kinder mit Lernstörungen fördert. 

 

 

 

 

 

TIGRO – ein Förderprogramm zum Aufbau von Grundoperationen für rechenschwache Kinder 

Ungefähr 4-7 % aller Grundschulkinder zeigen Symptome einer entwicklungsbedingten Dyskalkulie bzw. Rechenstörung. Der Anteil der Kinder mit einer Rechenschwäche, also keiner vollen Ausprägung der Problematik, aber vorhandener Schwierigkeiten dem Schulstoff zu folgen, ist noch deutlich höher und wird auf 20-25 % geschätzt. In diesem Vortrag wird der Fokus auf die Förderung gelegt und ein neues Förderprogram – das Training der Grundrechenoperationen, kurz TIGRO wird vorgestellt. Das TIGRO-Programm ist für Kinder und Jugendliche, unabhängig vom chronologischen Alter, sondern viel mehr abhängig von den bereits vorhandenen Kompetenzen, konzipiert. Viele Kinder/Jugendliche haben sich in ihrer Schullaufbahn etliche kompensatorische Strategien angeeignet, die zum Teil in eine Sackgasse führen und nicht mehr erweitert oder adaptiert werden können. Dies hat meist damit zu tun, dass viele Kinder/Jugendliche mit Rechenschwäche über kein ausreichendes konzeptuelles bzw. prozedurales Wissen verfügen. Sie wenden viele dieser Strategien rein mechanisch, ohne tieferes Verständnis, an. Sehr häufig wird beim Addieren und Subtrahieren auf das Zählen zurückgegriffen, beim Multiplizieren werden die Ergebnisse oft einfach auswendig gelernt, ohne dass das dahinterliegende Konzept verstanden wird. In jedem Baustein werden daher auch gezielt Spiele und Materialien für den Aufbau und die Überprüfung aller dieser arithmetischen Fertigkeiten und zum Aufbau von effektiven Strategien vorgegeben

Neben dem Aufbau und Festigung des arithmetischen Wissens zu allen vier Grundrechenoperationen werden auch das Lernverhalten und die Motivation verbessert. Kinder mit Rechenschwäche haben meist bereits sehr viele negative Erfahrungen und Misserfolgserlebnisse beim Rechnen gemacht, wodurch ihre Motivation sich mit Zahlen und dem Rechnen zu befassen möglicherweise eingeschränkt ist. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass sich die Kinder/Jugendlichen in der Förderung wohlfühlen oder sogar richtig Spaß an der Sache haben. Diese Vorgangsweise, gekoppelt mit dem spielerischen Charakter, baut die intrinsische Motivation wieder auf. In diesem Bereich setzen wir einen besonderen Joker ein, unsere Therapiehündin Amy. Es wird also im Vortrag kurz auch Thema, warum und wie überhaupt Tier-gestützte Intervention in der Lerntherapie helfen kann.